3. Mai 2024 | Neuigkeiten

Festspielhausgeflüster:
Zauberflöte – Im Interview mit Raphaela Dürr

Raphael Dürr Portrait
Die Kostümbildnerei ist eine Kunst, die den Charakteren Leben einhaucht und das Publikum in die Welt der Geschichte eintauchen lässt. Soweit die Erklärung, aber wie läuft das wirklich?

Wir haben nachgefragt bei unserer talentierten Raphaela Dürr.

 

Ihre Kostüme für unser neues Musical ZAUBERFLÖTE haben sowohl Kritiker als auch Publikum total begeistert. Mit ihrer Kunst, viel Gespür und Kreativität macht sie unsere ZAUBERFLÖTE zu einem wahren Augenschmaus.

Wie bist du auf die Idee gekommen, dich auf Kostümbildnerei zu spezialisieren, besonders im Bereich von Musicals?

Raphaela Dürr: Ich habe eine Ausbildung zur Schneiderin und anschließend Mode Design in München studiert. Der Wunsch etwas kreatives und Handwerkliches zu machen, war also schon immer präsent, ebenso wie meine Begeisterung für Kostüme, Filme, Musicals und Theater. Diese Begeisterung aber zum Beruf zu machen ergab sich tatsächlich im Festspielhaus nachdem ich 2018 durch Zufall einen Praktikumsplatz für die Neugestaltung der Ludwig2 Kostüme bekommen hatte. Danach war für mich klar, dass die Kostümbildnerei mein place to be ist an dem ich mich wohlfühle. Durch die erfolgreiche Zusammenarbeit wurde ich in den darauffolgenden Jahren für weitere Projekte des FSH angefragt wie z.B. die Päpstin oder Zeppelin – das Musical.

Wie gehst du bei der Entwicklung von Kostümen für ein Musical vor? Gibt es spezifische Schritte oder Überlegungen, die du in den Prozess einbeziehst?

Raphaela Dürr: Der Prozess ist eigentlich immer der Gleiche. Am Anfang steht das Textbuch und Vorgespräche mit dem Regisseur bzw. den Verantwortlichen der Inszenierung. Man tauscht sich über Vorstellungen und die allgemeine stilistische Ausrichtung des Stücks aus, aber auch organisatorische Fragen wie z.B. die Größe des Ensembles oder die Anzahl der Kostüme müssen geklärt werden

Im Anschluss beginnt für mich der kreative Prozess durch intensiven Research, die Erstellung von Moodboards, Sammlung von Materialien und Stoffen, das Erstellen eines Farbkonzepts und das Zeichnen von Skizzen und Entwürfen. Ist all das finalisiert, können die Kostüme von unseren Kostümwerkstätten / Produktionsstätten gefertigt werden.

Als letzter Schritt der Kostümentwicklung folgen dann die Fittings mit den Darstellern, welche meistens zeitgleich mit der Probenphase stattfinden. So können die Kostüme direkt auf Bühnentauglichkeit getestet werden – hier muss sowohl die Optik als auch der Tragekomfort passen.

Zusammenfassend gilt aber: Die Kostümentwicklung ist ein ständiger Work-In-Progress

Die Handlung von „Die Zauberflöte“ ist reich an Symbolik und Fantasie. Wie haben diese Elemente dein Designkonzept für die Kostüme beeinflusst?

Raphaela Dürr: Ein zentrales Element der Handlung, das Einfluss auf unser Designkonzept hatte, ist vor allem die Gegensätzlichkeit. Sowohl im Original, als auch im Musical stehen sich die Kräfte von Gut und Böse gegenüber: die weibliche Kraft, die der Königin der Nacht, repräsentiert den Mond, die Dunkelheit und das Chaos, während ihr Gegenstück, der männliche Sarastro, für die Sonne, das Licht und die Ordnung steht. In unserem Designkonzept haben wir versucht eben diese zwei Welten zu erschaffen und jene Eigenschaften durch Farbe, Material und Schnitt widerzuspiegeln.

Ein ähnliches Element sehen wir auch bei den Protagonisten Tamino und Pamina sowie Papageno und Papagena – zwei gegensätzliche und doch komplementäre Paare. Hier war es uns besonders wichtig, dass die Verbindung zwischen den jungen Liebenden immer klar erkennbar ist. So ist z.B. die Machart (der Schnitt) der Kostüme von Papageno und Papagena die Gleiche, nur in den Farben unterscheiden sie sich. Für die Kostüme von Tamino und Pamina hingegen gibt es ein gemeinsames Farbkonzept und die Verwendung des gleichen Materials.

Grundsätzlich diente die Originalhandlung / Oper / Bühnenbild der Zauberflöte als Inspiration und Impulsgeber während des gesamten Design Prozesses. Wir wollten eine moderne Interpretation des Stücks erschaffen ohne dabei den ursprünglichen Charakter zu verlieren. Deshalb haben wir versucht die Stilistik der Originaloper und des originalen Bühnenbilds immer mit einfließen zu lassen. Im Gesamten war es uns wichtig ein abwechslungsreiches, phantasievolles und bunt gemischtes Kostümbild zu erschaffen, dass den Zuschauer in eine andere Welt entführt: ein magisches Familienmusical voller Ideenvielfalt.

Welche Herausforderungen ergeben sich bei der Umsetzung der Kostüme?

Raphaela Dürr: Farben, Materialien und Muster können eine Herausforderung sein, denn sie sind stark beeinflussbar durch Bühnenlicht und die Distanz zum Zuschauer. Ein Kostüm, das im Tageslicht von der Nähe super ausschaut, kann auf der Bühne komplett seine Wirkung verlieren. Die Erfahrung hat gezeigt, dass auf der Bühne oft mehr ist mehr gilt.

So ist es manchmal auch mit Vorstellungen bestimmter Kostüme von denen man anfangs total überzeugt ist, die aber im Endeffekt auf der Bühne leider nicht funktionieren. Hier ist eine große Herausforderung die eigene Vorstellungskraft und Visualisierung von Ideen bevor diese überhaupt in die Tat umgesetzt werden.

Gibt es bestimmte Charaktere in „Die Zauberflöte“, für die du besonders kreative oder innovative Kostümlösungen gefunden hast? Wenn ja, welche?

Rahpaela Dürr: Hier fällt mir auf Anhieb die Rolle des Orakels ein. Im Vorgespräch wurde etwas „Abgefahrenes, Außergewöhnliches“ gewünscht. Da mussten wir uns natürlich was einfallen lassen. Herausgekommen ist ein großer Überrock, der mit einmal ziehen zu einem großen „Orakelrad“ / Tierkreiszeichen aufgestellt werden kann.

Wie berücksichtigst du die Bedürfnisse der Darstellerinnen und Darsteller bei der Gestaltung der Kostüme? Gibt es bestimmte Anforderungen oder Präferenzen, die du beachten musst?

Raphaela Dürr: In der Produktionsphase der Kostüme haben wir oft wenig Kontakt zum Cast, hier finden die Rückfragen eher mit der Regie statt. Die Bedürfnisse der Darsteller berücksichtigen wir anschließend im Prozess der Fittings. Oberste Priorität hat es für uns, dass die Darsteller sich in ihren Kostümen wohl fühlen und das Kostüm ihnen hilft ein Gefühl für die Rolle zu finden. Hier kommt es vor allem auf Kompromissbereitschaft an: es ist wichtig den Darstellern entgegenzukommen, aber ohne dabei seine eigene Idee und das Gesamtkonzept aus den Augen zu verlieren.

Manchmal ein Balanceakt. Anforderungen und Präferenzen bestimmter Darsteller gibt es immer mal wieder, aber die kennt man mittlerweile schon im Vorfeld.

Wie gehst du mit Doppelbesetzungen um, sodass die Kostüme jedem DarstellerIn passen?

Raphaela Dürr: Für Hauptrollen fertigen wir jedes Kostüm mindestens zweimal, bei Bedarf ggf. sogar dreimal an. Auch für das Ensemble und die Tänzer gibt es immer zusätzliche Spare Kostüme. So stellen wir nicht nur sicher, dass wir verschiedene Größen zur Verfügung haben, sondern auch, dass man flexibel agieren kann sollte es zu kurzfristigen oder unvorhersehbaren Umbesetzungen kommen.

Welche Materialien und Techniken hast du in den Kostümen für „Die Zauberflöte“ verwendet?

Raphaela Dürr: Wir haben die unterschiedlichsten Materialien im Einsatz: der Großteil besteht natürlich aus Textilen aus Natur- und Chemiefasern wie Baumwolle, Seide oder auch Polyester. Oberste Priorität hat hier die Pflegeleichtigkeit, Haltbarkeit und der Tragekomfort der Kostüme  Aber auch Glitzersteine, Pailletten, Federn, Leder, Metall oder sogar Holz sind im Einsatz. Es gibt fast nichts, was man in der Kostümabteilung nicht findet. Gerade bei speziellen Kostümen muss man oft mal kreativ werden und das basteln anfangen.

Kannst du uns einen Einblick in dein Lieblingskostüm aus diesem Musical geben und warum es dir besonders am Herzen liegt? 

Raphaela Dürr: Ein Lieblingskostüm zu nennen finde ich sehr schwer, aber es gibt auf jeden Fall ein paar Kostüme, die einem mehr in Erinnerung bleiben als andere.  Das Kostüm des Orakels habe ich ja bereits genannt. Das Orakelrad war für uns in der Umsetzung wirklich eine Challenge, weshalb ich umso glücklicher bin, dass das Ergebnis so gut geworden ist.  Auch das Kostüm der Königin der Nacht ist ein Besonderes, denn das haben wir sogar zweimal anfertigen lassen. Die erste Version war uns letztendlich nicht „böse / dramatisch“ genug, weshalb wir es erneut aus einem anderen Material und in einer anderen Farbe haben anfertigen lassen.

Hier hat sich mal wieder gezeigt, dass nicht jede Idee in der Umsetzung auf Anhieb perfekt funktioniert und man manchmal nochmal nachhaken muss. Jetzt finde ich das Kostüm wahnsinnig schön und passend für die Rolle der Königin der Nacht, denn es verleiht ihr genug Präsenz und Ausstrahlung auf der Bühne.   Und zu guter Letzt mag ich auch die Kostüme der Drei Damen sehr gerne, weil das Konzept einfach schlüssig ist. 

Was ist dein spannendster Moment, Anproben? Zeichnungen? Erstes Mal auf der Bühne?

Raphaela Dürr: Hier kann ich mich leider nicht entscheiden, denn jeder Schritt des Kostüm Prozesses ist aufregend.

Ich liebe die Anfangsphase eines jeden Projektes, weil ich dort besonders kreativ sein darf. Kostüme nur aus seinen eigenen Ideen und Vorstellungen zu erschaffen und schlussendlich auf die Bühne zu bringen, ist das große Privileg dieser Arbeit. Aber auch die Phase während den Fittings und Proben liebe ich sehr. Der Kontakt zu den Darstellern und Teams der unterschiedlichen Abteilungen ist wahnsinnig bereichernd und es ist sehr spannend die Kostüme zum ersten Mal gemeinsam mit Bühnenbild, Musik und Licht auf der Bühne zu sehen. Besonders nervös bin ich meistens zur Premiere, weil man nie weiß welches Feedback es vom Publikum gibt.

Wie viele Menschen wirken an einem Kostüm mit? Mit wem musst dich abstimmen? Maske?

Raphaela Dürr: Das ist vor allem von der Projektgröße abhängig und pauschal schwer für mich zu beantworten.

Im Fall der Zauberflöte wirkte die Regie im Vorfeld vor allem an der allgemeinen Ausrichtung der Kostüme mit, hier sind wir meistens zu dritt im Gespräch. Im Prozess der kreativen Umsetzung sind wir zu zweit gewesen. Hier gibt es natürlich immer wieder Rücksprachen mit der Regie wobei diese uns aber einen wahnsinnig großen Freiraum bei der Umsetzung gelassen hat. Im Fertigungsprozess der Kostüme waren etwa um die 15 Personen involviert.

In der letzten Phase des Projektes, wenn die Proben und Fittings starten, besteht unser Kostümteam derzeit aus 6 Personen, bestehend aus mir als Kostümbildnerin sowie Kostümleitung, Schneiderinnen und Dressern. Abstimmungen erfolgen über den gesamten Prozess verteilt mit Regie, Choreografen und Maske, denn am Ende muss auf der Bühne alles zusammen passen und ein Gesamtbild ergeben. Aber auch das Feedback der Darsteller im Probenzeitraum ist enorm wichtig für uns, denn probieren geht über Studieren, wie man so schön sagt.

 

Danke für das spannende Interview und die detaillierten Einblicke in den kreativen und anspruchsvollen Prozess der Kostümentwicklung für Musicals. Es war wirklich interessant zu erfahren, wie viel Arbeit und Leidenschaft in jedem einzelnen Kostüm steckt und wie engagiert das Team ist, um die Visionen auf die Bühne zu bringen.

Mehr erfahren: Zauberflöte – Das Musical

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