12. Juni 2024 | Neuigkeiten

Festspielhausgeflüster:
Hundertwasser – Das Musical – Im Interview mit Rolf Rettberg

Vom 12. bis 14. Juli ist das Erfolgsmusical über das außergewöhnliche Leben des künstlerischen und gesellschaftlichen Visionärs Friedensreich Hundertwasser erneut und exklusiv auf der Bühne des Festspielhauses in Füssen zu bewundern. Autor Rolf Rettberg spricht im Interview über das Werk.

Lieber Herr Rettberg, fangen wir mit einer banalen Frage an: Wie kamen Sie zu dem Entschluss, Musicalautor zu werden?

Rolf Rettberg: Der „Entschluss“, Musicalautor zu werden, geschah eher zufällig. Vor vielen Jahren setzte sich ein Uelzerner Geschäftsmann, der seiner schwer kranken Frau ihren Wunsch, ein Hundertwassermusical für sie zu schreiben ( Uelzen besitzt einen berühmten Hundertwasserbahnhof ), erfüllen wollte, über meinen Wiener Verlag mit mir in Verbindung. Ein Wort gab das andere. Der Rest ist Geschichte.

Woher kommt die Idee für ein Musical? Setzt man sich mit dem Vorhaben an den Schreibtisch „Jetzt schreibe ich ein Musical“, oder begegnet einem etwas im Leben, bei dem man denkt „Das wäre ein toller Stoff für ein Musical“?

Rolf Rettberg: Im Normalfall kommen mehrere miteinander bekannte Personen zusammen und diskutieren ihnen am Herzen liegende Projekte. Aber es gibt natürlich Stoffe, die ich zunächst nur für mich entwickelt habe. Z.B. LUTHER. Uraufführung in Hof. Allerdings habe ich meinen Text kurz danach wegen einer völlig indiskutablen ( Schlager-) Musik zurückgezogen. Es gibt Grenzen des Erträglichen.

Und wenn Sie einmal beim Schreiben in einer Sackgasse sind, was tun Sie, um wieder weiterzukommen?

Rolf Rettberg: Eigentlich gibt es kaum Sackgassen für mich. Dafür sorgt schon meine liebe Frau Ursula, die mir immer mit Rat und Tat zur Seite steht. Wir sprechen jede Szene durch, lesen mit verteilten Rollen, streiten auch gelegentlich. Aber das muss sein.

Hatten Sie keine Bedenken, dass Hundertwasser eventuell nicht wirklich ein massentaugliches Zugpferd für ein Musical ist?

Rolf Rettberg: Ich denke primär an Text, Dramaturgie, Lyrik und weniger an massentaugliche Zugpferde. Wenn das Werk vom Publikum angenommen wird: okay. Wenn nicht, ist’s schade, schmälert aber nicht zwingend seinen künstlerischen Wert. Außerdem sollte man sein Publikum nicht intellektuell unterschätzen bzw. unterfordern. Dabei kommt selten was Gutes heraus.

Hundertwasser hatte ein sehr bewegtes und facettenreiches Leben. Was davon erfahren die Zuschauer in dem Musical – und wie viel davon ist authentisch?

Rolf Rettberg: Zunächst etwas Grundsätzliches: Hundertwasser ist – genau wie König Ludwig – kein Dokumentarspiel, sondern eine Kunstfigur. Natürlich habe ich bestimmte Bausteine seines Lebens für mein Libretto verwendet. Aber in sehr freier Weise. Mir fällt in diesem Zusammenhang ein Wort Guiseppe Verdis ein, das gleichsam leitmotivisch über meiner Arbeit stehen könnte: „Die Wahrheit erzählen, ist eine gute Sache, aber sie zu erfinden, ist viel, viel besser“. Übrigens gibt es im Hundertwasser nur e i n Originalzitat, nicht, wie oft fälschlich angenommen wird, mehrere.

Die Süddeutschen Zeitung lobte 2022 die Premiere mit den Worten: „Man fühlt Hundertwasser danach mehr, als man ihn begreift. Das ist okay. [….] Das man nun nachsitzen möchte, ist kein Fehler des Musicals, sondern eine Stärke.“ Fühlen Sie sich damit geschmeichelt?

Rolf Rettberg: Nicht „geschmeichelt“, ernst genommen!

Nochmals zur Süddeutsche Zeitung, diese schrieb über das Musical, „alle Gestalten hier sind nicht exakt nachgezeichnete Personen, sondern expressionistische Allegorien“. Stimmen Sie dem zu?

Rolf Rettberg: Damit kann ich etwas anfangen. Aber lassen Sie mich darauf hinweisen, dass Musik, Regie und – last but not least – Choreographie ganz entscheidende Anteile an dem hatten, was dem Zuschauer vor – gestellt wird. Übrigens ein sehr griffiger Ausdruck Vor – Stellung. Viel besser als „Show“. Hier ist die deutsche Sprache mit ihrem Reichtum an Präpositionen doch um einiges aussagekräftiger.

Und welches sind neben Hundertwasser selbst, ihre liebsten Figuren in dem Musical?

Rolf Rettberg: Eigentlich alle. Auch die sogenannten „Statisten“ Ich bin immer gerne zu den Chor – und Tanzproben gegangen. Es hat mich wirklich berührt, mit welcher Hingabe und Begeisterung sich die Darsteller dem Stück verschrieben haben. C h a p e au ! Wenn ich eine Figur herausgreifen sollte, wäre es mein geliebter KUNTERBUNT. Wie diese Rolle pantomimisch und tänzerisch von Anna Martens angelegt wurde, war unglaublich. Eigentlich bin ich kein besonderer Freund von Tanz und Choreographie, aber sie hat mir wirklich das Herz dafür aufgeschlossen. Dank Dir, Anna !

Wie schafft man es generell, Hundertwassers bunte, schwungvolle Werke in eine angemessene Handlung, in Lieder, Liedtexte und Bühnenbild zu packen?

Rolf Rettberg: Auf die Einbindung seiner Werke mussten wir leider verzichten. Sein Manager (im Stück Mr. Money) hatte uns deren Verwendung, z.B. als Projektionen, untersagt. Immerhin konnten wir Heidi Trimmel, die Tochter Hundertwassers, eine bekannte Wiener Gartenarchitektin und Malerin (durchaus in der Tradition ihres Vaters ) für die „Unter – Malung“ gewinnen.

Wie kam Ihnen der Einfall zu den tanzenden Mozartkugeln…?

Rolf Rettberg: Das war nicht mein Einfall, sondern eine – gelungene – Entscheidung der Choreographie. Natürlich kommen die Mozartkugeln im Liedtext der Wiener Kulturstadträtin (Steffi Kock, zum Niederknien) vor. Aber gleichsam noch ohne Fleisch.

Das Hundertwasser-Musical ist bereits zum zweiten Mal im Festspielhaus Neuschwanstein zu sehen, wo sonst „Ludwig² – Das Musical“, das ebenfalls Sie geschrieben haben, Ralph Siegels „Zeppelin“ oder demnächst das Musical „Zauberflöte“ gespielt werden. Passt dieser Ort zu Hundertwasser?

Rolf Rettberg: Hundertwasser hat Schloss Neuschwanstein geliebt. Wird an einer Stelle auch im Text gesagt, von Bro, seinem revolutionären schlechten Gewissen: „Am liebsten würdest Du aus jeder Tankstelle ein Neuschwanstein machen !“

Letzte Frage: Wenn man keine Ahnung von Kunst hat, warum sollte man sich das Hundertwasser-Musical dennoch anschauen?

Rolf Rettberg: Um zu erfahren, was Kunst vermag, wenn Stück und Zuschauer miteinander harmonieren.

Danke für das spannende Interview und die detaillierten Einblicke!

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